Die Kinder tippeln aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. In korrekter Zweierreihe sind sie im Hof des Kinderkurheims Volkersdorf angetreten. 52 sind es, aus Weißrussland, aus der Region, wo das explodierte Kernkraftwerk Tschernobyl immer noch den Alltag bestimmt, und sie sind zur Erholung in Dresden. An diesem Sonnabendmorgen warten sie darauf, von Motorradfahrern abgeholt zu werden. Vor dem Heim parken knapp 70 Maschinen aus ganz Sachsen und darüber hinaus, darunter auch einige Polizeimotorräder und zwei von den Johannitern. Die Motorradfahrer und –fahrerinnen sind dem Aufruf von Sachsenbike gefolgt, den chronisch kranken Kindern nicht nur wie bisher einen unvergesslichen Tag zu bereiten, sondern gleich zwei. Leider stehen zur Premiere der Kinderheimausfahrt mit Übernachtung weniger Maschinen in Volkersdorf als in den Jahren davor. Aber alle Kinder finden am Ende einen Platz als Sozius oder in einem Beiwagen.
Dann geht es endlich los. Nicht nur 160 Kilometer auf kleinen Straßen liegen vor Kindern und Fahrern, sondern auch etliche Überraschungen. Die erste wartet in einem Wald der Kmehlener Berge. Nach viel Kuchen, Kaffee, Saft und einer kleinen Pause werfen die Mitglieder des Autocrossvereins Ortrand einige ihrer Vehikel an und drehen ein paar Runden auf der Crosstrecke, die Kinder stehen staunend und begeistert am Rand. Im Innenraum der Strecke jagen zudem ferngesteuerte Buggy-Modelle über eine bucklige Piste.
Nach einer weiteren Stunde Motorradfahrt ist der Geierswalder See erreicht, ein ehemaliger Tagebau, der zum Naherholungsgebiet für Wassersportler heranwächst. Vor der feuchten Betätigung gibt es aber erstmal eine Stärkung aus der Gulaschkanone. Dann schnappen sich die Fahrer ihre Kinder und marschieren zum Strand, wo schon ein paar knallbunte Tretboote auf einen Ausflug aufs Wasser bereitstehen. Beim frischen Wind haben die Erwachsenen und die sie unterstützenden Kinder einige Mühe, geraden Kurs zu halten. Bei dem Geschaukel und kleinen Wellen ist durch den Wind das Lachen und Kreischen der Kinder zu hören. Bis alle eine Runde gedreht haben, ist die geplante Abfahrt schon eine Weile vorbei. Aber das stört kaum, denn erstmals in der Geschichte der Sachsenbike-Heimkinderausfahrten ist eine Übernachtung eingeplant. Wir müssen also nicht zu einer exakten Zeit wieder in Volkersdorf sein, damit die Kinder ins Bett kommen.
Gegen 16 Uhr ist die wie üblich regenlose Ausfahrt am Ziel: der ehemalige Militärflugplatz in Preschen, zwischen Spremberg und Forst. Während die Fahrer, die über Nacht bleiben, ihre Zelte aufbauen, machen sich die weißrussischen Kinder daran, das riesige Areal und die für sie bereitstehenden Attraktionen zu erobern: Hüpfburg, Ballwerfen mit Schaumkussfangen, Quad- oder Minibikefahren. Im Gelände gibt es auch genug Gras für Fußballspiele, bei denen auch die Mädchen kräftig mitkicken. Einige der Kinder nutzen auch die aufgereihten Motorräder, um sich mal auf eins zu setzen, und der eine oder andere Fahrer lässt eine Maschine an und die Kinder am Gasgriff drehen. Aber die größte Überraschung wartet noch: Ein Airtrike zeigt jedem Kind sowie ihren Begleitern und einigen der Fahrer das Preschener Gelände von oben, wobei sich das Fliegen mit dem Gerät fast wie Motorradfahren anfühlt, nur viel luftiger.
Diesmal ist auch für die Motorradfahrer einiges geplant: In Zweiergruppen treten sie zum Beschleunigungsrennen auf der ehemaligen Startbahn an oder absolvieren beim Sicherheitstraining einen diffizilen Rundkurs. Wer will, kann auch den trainierenden Supermoto-Fahrern auf ihrer Strecke zusehen.
Inzwischen hat das Team des Flugplatzes zwei Wildschweine zu einem köstlichen Abendessen bereitet. Während sich die Kinder in der Dämmerung austoben, machen es sich die Fahrer zwischen Bierwagen, überdachten Leder-Sitzecken oder auf der Wiese bequem. Dort sitzen sie noch lange um ein großes Lagerfeuer, während die Kinder sich schlafend von einem ereignisreichen Tag erholen.
Am Sonntagmorgen packen die Motorradfahrer im strahlenden Sonnenschein ihre Sachen wieder zusammen und machen sich nach der Verabschiedung durch die Kleinen in Gruppen oder einzeln auf die Rückfahrt. Für die Tschernobyl-Kinder steht noch eine kleine Wanderung durch die Kiefernwälder in den Ort Jocksdorf bevor. Dort warten schon die Äffchen auf ihren Besuch, im Affengehege. Dort dürfen sie die putzigen Tiere unter Anleitung sogar füttern oder auf ihre Schultern und Köpfe klettern lassen. Die Kinder laufen aufgeregt von einem Gehege zum andern, amüsieren sich über die herumtobenden Affen, lassen sich mit der Hilfe von Dolmetschern über die verschiedenen Arten aufklären und, die Fotoapparate der Kinder klicken fast ununterbrochen.
Nach dem Rückweg bei sommerlichen Temperaturen sind die Spaghetti in Preschen von den rührigen Betreibern des Areals schon gekocht. Nach der herzlichen Verabschiedung und jubelndem Dank an die Organisatoren steigen die 52 Kinder mit ihren Begleitern in einen Bus, der sie wieder zurück nach Volkersdorf bringt. Auch wenn in den weiteren drei Wochen Erholung dort noch viele Erlebnisse auf sie warten, den Motorradausflug werden sie so schnell nicht vergessen. Und die Motorradfahrer aus nah und fern sicher auch nicht. In wenigen Monaten werden die Planungen für die 9. Heimkinderausfahrt für 2010 starten. Ganz sicher wird auch das wieder eine gelungene Aktion, hoffentlich aber mit mehr Motorradfahrern.