Mit 52 Kindern auf großer Tour – ein Resümee

Dutzende Arme schnellen gleichzeitig in die Höhe. Dicht gedrängt stehen 52 Kinder um einen jungen Mann und melden sich, um ja schnell dran zu kommen. Dabei ist es nicht ihr Lehrer, und er spricht nicht einmal ihre Sprache. Aber der Mann in der Lederkombi und die acht- bis zwölfjährigen verstehen sich auch so. Er ist einer der rund 100 Motorradfahrer, die den 8. Mai mit den weißrussischen Kindern aus der Region Tschernobyl auf einer Ausfahrt ins Erzgebirge waren.

In den Händen hält er ein Bündel Wunderkerzen, und jedes Kind will unbedingt eine haben. Aber er beugt sich dem strengen Blick der weißrussischen Erzieherin und verteilt sie nicht. Stattdessen rennt er los und zieht eine Schar Schreihälse hinter sich her, die ihm durch das Gelände des Kinderkurheims in Volkersdorf hinterher jagt. Die Gelegenheit nutzt ein anderer Mann im Bikeroutfit, um mit den übrig gebliebenen Wunderkerzen ein kleines Feuerwerk zu entzünden. Da bleiben die Kinder wie angewurzelt stehen, starren den blitzenden Sternen nach und versuchen dann, die herunter fallenden, ausgebrannten Raketen aufzufangen. Auch wenn es die Kinder nicht gerade auf die Nachtruhe einstimmt, beendet das Feuerwerk doch die 9. Heimkinderausfahrt von Sachsenbike.

Am Morgen hatten sich etwa 80 Motorradfahrer und –fahrerinnen vor dem Heim am nördlichen Dresdner Stadtrand eingefunden, um die Kinder abzuholen. Dazu kamen die Maschinen von Polizei, Johanniter und der Sachsenbike-Ordner. Ihre Aufgabe war es unter anderem Kreuzungen, Ein- und Ausfahrten sowie Nebenstraßen abzusperren, um die doch beachtliche Schlange chromblitzender Motorräder nicht ins Stocken geraten zu lassen. Als alle Kinder, ihrer Erzieher und die Dolmetscher mit Helmen versorgt und auf ihre Fahrer aufgeteilt waren, setzte sich pünktlich um 9 Uhr der Tross in Bewegung. Die Polizei u.a. mit fünf Maschinen und Blaulicht immer vornweg. Auch die Fahrer, die kein Kind auf dem Sozius hatten, reihten sich mit ein – der Ausflug galt ja keinem Selbstzweck.

August der Starke begrüßt die Kinder

Unter den staunenden Blicken zahlreicher Touristen rollten die 100 Maschinen kurz darauf auf den Theaterplatz. Dort wartete bereits August der Starke, um sie und die Tschernobyl-Kinder in seiner Residenzstadt zu empfangen. Die Dolmetscher hatten einige Mühe, seine in altertümlicher Sprache gehaltener Rede zu übersetzen. Viel zu lachen gab es für alle dennoch. Mit einem lauten Hupkonzert setzte sich der Trupp wieder in Bewegung. Im Stracoland in Colmnitz wartete eineinhalb Stunden später schon Kaffee, Saft und von Lehrlingen der Bäckereifachschule extra frisch gebackener Kuchen. Die Kinder waren zu einer Besichtigung des Weihnachtslandes eingeladen, auch wenn sich der Frühling endlich zeigte. Auf der Weiterfahrt zog die Landschaft vom Tharandter Wald und Erzgebirge bei trockenem und teils sogar sonnigem Wetter schnell an den Kindern vorbei. Vom Straßenrand winkten ihnen viele Bewohner der Dörfer und Städte zu. Ein Kamerateam des Privatsenders RTL 2 begleitete die gesamte Ausfahrt und produzierte einen kleinen Film für die Abendnachrichten.

Das Ziel und Highlight der mittlerweile 9. Heimkinderausfahrt, die ausschließlich von den Vereinsmitgliedern des Sachsenbike-Vereins in ihrer Freizeit organisierten wird, war der Michelshof in Zethau. Das Mittagessen für die Kinder und Fahrer stand bereits bei der Ankunft auf dem Tisch. Nachdem für das leibliche Wohl gesorgt wurde, gab es auf dem Gelände des Hofes noch unglaublich viel zu erleben. Von Ponyreiten über Bogenschießen, einem Hochseilgarten bis zu diversen Ballspielen war für jeden Geschmack etwas dabei.
Seit 1992 kommen 52 an den noch heute leidenden Spätfolgen des Reaktorunglücks  Kinder für jeweils vier Wochen in das Erholungsheim. Jedes Jahr erholen sich somit mehr als 680 Kinder im Kinderkurheim Volkersdorf. Seit 2001 engagieren sich die Mitglieder des Sachsenbike-Vereins jedes Jahr erneut, um den Kindern einen ereignisreichen und unvergesslichen Tag zu bereiten – natürlich auch unterstützt von zahlreichen Sponsoren.

Ereignisreicher Abschlussabend in Volkersdorf

Am späten Nachmittag rollten Kinder, Dolmetscher und Fahrer wieder in Volkersdorf ein. Die sichtlich müde gewordenen Kinder waren fast schlagartig wieder munter, denn weitere Aktionen warteten im Heimgelände auf sie: Prall gefüllte Taschen der Fa. Pfizer, ein reichlich gefüllter Grill mit Fleisch und Würsten der Fa. Korch und eine Gulaschkanone von Wölfchens Gulaschkanone, eine riesige Hüpfburg von Pneuhage, ein Kinderquad, unterschiedlichste Spiele, ein kleines Lagerfeuer, eine Wushu-Show chinesischer Kampfsportarten und ein kleines abschließendes Feuerwerk. Die Stimmung war bei allen ausgelassen und die Kinder hatten alle Scheu vor den am Morgen noch unbekannten Motorradfahrern verloren. Einige der Kinder durften sich mit leuchtenden Augen auf die Maschinen setzten, unzählige Fotos machen und mal ordentlich Gas geben.

In den Abendstunden ging dann auch ein wunderschöner Tag für alle Beteiligten zu Ende. Die Kinder riefen den Fahrern im Chor ein lautes, deutsches „Dankeschön“ hinterher. Die Mitglieder vom Sachsenbike e.V. waren sich sofort einig, dass es eine besonders gelungen Heimkinderausfahrt war.
Die Motoren noch nicht ganz kalt, wurde bereits schon mit der Planung der 10., der Heimkinder-Jubiläumsausfahrt begonnen. Eine ganz besondere Tour mit nicht weniger vielen Highlights für die Kinder. Auch sehr viele der Fahrer haben spontan zugesagt, dann wieder dabei zu sein, um den Kindern aus der Region Tschernobyl wieder einen ganz besonderen und unvergesslichen Tag zu garantieren.

 Bilder zur. 9. Heimkinderausfahrt unter: http://www.heimkinderausfahrt.de/galerie-presse/

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