Resümee 2021

Der dritte Anlauf zur 19.Sachsenbike-Heimkinderausfahrt hat geklappt – wenn auch wetterbedingt nicht bis zum Schluß |

Knister, Pfeif, Tüdeldü – nach einem quietschenden Fehlversuch hat Jens Pabst sein Instrument im Griff. „Janoschs“ sonore Stimme füllt die Luft über dem Parkplatz der Feldschlößchen-AG in Coschütz, und über 160 Ohrenpaare hören dem Sachsenbike-Vorstand zu. Etwas weniger Kids und Fahrer als sonst lauschen seiner Begrüßung zur 19. Heimkinderausfahrt; ein paar Einrichtungen hatten für ein paar Kinder sehr kurzfristig noch abgesagt. Doch nach zwei fix und fertig vorbereiteten, aber dann corona-bedingt gecancelten Touren im Mai 2020 und im Frühjahr drauf soll und wird der dritte Anlauf jetzt gefälligst gelingen.

Diszipliniert haben sich Fahrerinnen und Fahrer bei Katrin angemeldet, und während sie wartend ihre Mägen mit Kaffee (Danke an „olle“ Stasiak, der gute Geist von Feldschlößchen) füllten, haben die Kids Helme anprobiert, sich ein Gefährt ausgesucht und auf Sätteln und in Beiwagen schon mal Probe gesessen. Was auffiel: Kleinere bösere Naked Bikes gehören nicht zu ihren Top-Favoriten, die Jugend bevorzugt eher Tourenmopeds. Auch das Ural-Gespann und die 50-jährige R75 mit Ausleger fanden schnell ihre Besetzungen.

Jetzt, nach der kurzen Einweisund für Fahrer und Security, kann es nach fast zweieinhalb Jahren Wartezeit mit der HKA endlich losgehen. Banges Thema bei manchen Großen: das Wetter. Angekündigt ist für mittags Regen, womöglich nicht zu knapp. Unzählige WetterApps wurden bemüht – Ergebnis stets unterschiedlich. Und Ankündigungen können sich ändern und solche Aussichten niemandem ernsthaft den Spaß vermiesen. Entsprechend optimistisch ist die Stimmung, als sich die Karawane aus 100 Bikes und sechs Begleitfahrzeugen um 9 Uhr in Bewegung setzt.

Den Lotsen macht Streckenplaner Olaf Stöpel, das Oberkommando hat Polizeioberkommissar Andreas Kretzschmar, bei dem heute eine Extraportion Emotion mitfährt: Es ist seine letzte Ausfahrt nach vielen Dienstjahren, die Rente naht mit Riesenschritten. Er hat u.A. uns und unsere Ausfahrt mehrfach in seiner – von uns geliebten Art – begleitet, stets bestimmend, aber ruhig und sehr kooperativ… Wir werden ihn vermissen und haben ihn auch mit einem kleinen Geschenk gedankt und verabschiedet…

Über Bannewitz und Kreischa zuckelt der Tross in entspanntem Tempo Richtung Königstein, es geht über aussichtsreiche Landsträßchen, durch Wälder, Täler und kleine Dörfer, eine herrliche Strecke, wieder einmal. Zwischenfälle bleiben aus, nur ab und an muss ein Auto oder LKW aus der Gegenrichtung etwas nachdrücklicher von den Blockern ums Stehenbleiben und Passierenlassen gebeten werden. Als ein 20-Tonner partout nicht brav sein will, kommt es zu einem spanischen Moment: Vereinsvorsitzender René gegen Trucker, BMW S1000R gegen Iveco, Stirn an Stirn wie beim Stierkampf – ein bemerkenswerter Anblick. And the winner is: René auf BMW. Weiter geht´s, und immer wieder heben sich unterwegs Fahrerköpfe zum Himmel. Wird er dichthalten? Er hält. Fast pünktlich und vollzählig zieht die Karawane in Bad Schandau ein. Dort hat Bürgermeister Thomas Kunack bereits eigenhändig die Poller zu jenem Elbuferabschnitte umgelegt, an dem ein weiterer René wartet, Chef und Gründer von Kanu Aktiv Tours. Acht seiner Boote liegen für die Passagiere bereit.
Deren Chauffeure cruisen nach dem Entladen der Bikes ohne Ballast zurück nach Königstein, wo die paddelnden Kids mit ihren Betreuerinnen und Betreuern in einer guten Stunde anlanden werden. Genug Zeit für die Erwachsenen, sich auf dem Kanu-Aktiv-Gelände mit Getränken und dem Essen von Caterer Kulinair zu versorgen, jede Menge Ölgespräche zu führen oder einfach nur im Gras zu sitzen und chillend elbaufwärts zu blicken, den noch unsichtbaren Booten entgegen.

Nächster Blick zum Himmel: Es zieht sich allmählich zu. Aber es hält. Schließlich trudeln die Boote ein. Nacheinander werden sie an Land gezogen, auch dabei legen mehr Fahrer als nötig ihre helfenden Hände an. Sofort suchen die Kinder das Buffet heim; Paddeln macht hungrig.

Während auch sie nun futtern und trinken, wird es obenrum ernst und ernster. Im Westen ballen sich Wolken, über dem Königstein schlägt ein erster Donner los, das Unwetter hat uns eingeholt. Wieder sind Jens und sein Megafon gefragt: „Alles in die Halle zum Unterstellen!“ Der erste Regen ist heftig, aber nach einer halben Stunde vorbei. Der zweite, das sagt auch die Polizei, ist bereits auf dem Weg. Was nun? Ist das Regenloch groß genug, um es bis zur nächsten Etappe zu schaffen und den nächsten Guss dann, in Heeselicht, bei Kuchen und Kaffee über sich wegziehen zu lassen? Finden wir es heraus. Nach den üblichen Verzögerungen – „Wo ist mein Helm?“, „Wo ist mein Fahrer?“ – startet der Versuch, sich bis zum Motorradmuseum Heeselicht nahe Stolpen durchzuschlagen.

Noch in Bad Schandau holt das Unwetter die Karawane ein. Eine Viertelstunde später ist sie durchnässt. Eine weitere Viertelstunde später ist es vorbei. In Lichtenhain bricht die Polizei die 19. Heimkinderausfahrt ab. Das ist traurig, aber das einzig Angemessene. „Ich kann die Verantwortung für die Sicherheit der Kinder nicht mehr übernehmen“, sagt Einsatzleiter Kretzschmar. „Hat echt keinen Zweck mehr“, bekräftigt der Cop auf seiner Führungs-BMW. „Das Visier ist nass, die Scheinwerfer des Gegenverkehrs blenden, man kann kaum noch etwas sehen – viel zu riskant.“ Nur – wie schaffen wir nun die Kinder zurück nach Dresden zu ihren Bussen?

Die Lage entspannt sich ein wenig, als der ein wenig verloren vor sich hin triefende Haufen an der Landstraße entdeckt wird – von einem Exemplar der Freiwilligen Feuerwehr Lichtenhain. Deren Stützpunkt ist keine 100 Meter entfernt, und erleichtert folgt alles sofort der Einladung des hilfsbereiten Hauptmanns, sich in die warme Vereinsstube zu flüchten. Im Fahrerlager das endgültige Signal zur Auflösung; für sie gibt es nichts mehr zu tun. Einer nach dem anderen knattert davon. Frustrierte Gesichter sieht man trotzdem nicht. Der Altersdurchschnitt ist in diesem Jahr recht hoch – das hat eben auch seine Vorteile. Beim Abschied spricht ein würdig ergrauter Yamaha-Mann aus, was wohl die meisten denken: „Hat trotzdem Spaß gemacht, beim nächsten Mal klappt’s dann auch wieder mit dem Wetter.“

Drei Dinge erleichtern den Hinterbliebenen ihre Lage: Der engelsgeduldige Hauptmann lässt die Kinder auf seinem Feuerwehrauto herumklettern, der Regen wird allmählich schwächer und versiegt irgendwann vollständig. Bald treffen auch Nadja und Andreas vom Auktionshaus Vonau aus Chemnitz mit ihrem Kuchenbus aus Heeselicht ein. 250 Stück Eierschecke und Zupfkuchen, dazu der Vorrat an Pudding, Joghurt, Milchshakes und Russisch Brot tragen dazu bei, dass die Stimmung niemals angenervt wird oder ins Kippeln gerät. Denn alle brauchen Geduld. Nach langen Überlegungen und Planungen hat Katrin einige Erzieherinnen und Erzieher bis Dresden transportiert, von wo sie ihre Busse abholen und damit zurück nach Lichtenhain kommen müssen. Eine Stunde hin, eine weitere zurück – die wollen überbrückt werden.

Bis auf wenige und nur kleine Spannungen geht das erstaunlich reibungslos. Einige Kinder hängen im Vereinsraum ab, der irgendwann duftet wie ein Pumakäfig. Andere vertreiben sich draußen die Zeit an Schaukel, Rutsche, Klettergerüst. Auch die verbliebenen Sachsenbiker finden immer noch Dinge, die sie einander in den letzten Jahren noch nicht erzählt haben. Und wer die Kinder beobachtet und deren Erzieher fragt, wie es denen so geht, warum sie im Heim sind, wie sie dort klarkommen, der bekommt gute Gründe geliefert, gleich doppelt dankbar zu sein. Zum einen dafür, dass es Menschen wie diese Erzieherinnen und Erzieher gibt, die diesen furchtbar wichtigen und enorm aufreibenden Job mit echter Leidenschaft erfüllen. Zum anderen dafür, dass man selber nicht das Pech hatte wie viele dieser Kinder: in Familien hineingeboren zu werden, die vom Elternsein und überhaupt vom Leben hoffnungslos überfordert sind.

Schließlich, gegen 17.30 Uhr, sind auch die letzten Busse aus Dresden zurück. Als sie mit den restlichen Kindern das Feuerwehrgelände verlassen, beschämt der Hauptmann die Sachsenbiker mit seiner Großherzigkeit ein zweites Mal: „Nein danke, bitte keine Spende, auch nicht fürs Aufräumen – wir sind doch dazu da, um in Notsituationen zu helfen.“ Als Letzter verlässt Einsatzleiter Andreas Kretzschmar das Gelände. „So, das war’s für mich jetzt“, sagt er. „Schon ein bewegender Moment …“

Beim Rückweg der verbliebenen regenklammen Sachsenbiker mit BMWs, Harley, Ducati, Yamaha über Sebnitz, Neustadt und Stolpen in die kinomäßig untergehenden Sonne sitzt trotz allen gemeisterten Widrigkeiten nicht der Frust über die zweimal verschobene und dann abgebrochene Heimkinderausfahrt ganz vorne im Sattel. Sondern das Gefühl, einen sehr ereignisreichen, extrem herausfordernden und in jeder Hinsicht erfüllenden Tag erlebt zu haben.

Danksagung:

Wir danken nochmals herzlich allen Bikerinnen und Bikern, Helfern, Sponsoren und Unterstützern. Diese seht ihr alle rechts auf der Website. Eine extra Erwähnung sollte dennoch der Ronny von den Helios Kliniken in Radeberg erhalten. Er hat sich um die Entwicklung der Fahrerbilder gekümmert, den roten Bus mit – Helmen, Klamotten, Rucksäcken, Waren von Müller Milch, Getränke von Lichtenauer, sowie Knabbereien von Dr.Quendt – gesteuert und wurde gefühlt 1000x irgendwo hinbeordert. Und er tat es stets mit stoischer Ruhe – Danke Ronny.

Da man in dieser Situation sicher wieder jemanden bei der Aufzählung vergessen hat – nicht böse sein – wir möchten uns bei allen Beteiligten nochmals herzlich bedanken!

Bilder:

Es sind bereits einiger Bilder online, wer seine Eindrücke noch beisteuern möchte, möge diese Fotos bitte per https://wetransfer.com an info@heimkinderausfahrt.de senden, sie werden dann zeitnah online gestellt.

Termine:

Wir „meeten“ am kommenden Dienstag um einen Termin für 2022 zu beschwatzen und wir beraten, wie wir Euch die analogen Fotos der Kinder-/Fahrerbilder zukommen lassen können…